Die globalen Aktienmärkte im zweiten Halbjahr: Selektive Chancen in einem anspruchsvollen Marktumfeld

Der aktuelle Bärenmarkt an den Börsen ist eine Folge der unerwartet hohen Inflation in Verbindung mit der starken Zinsreaktion der amerikanischen Zentralbank „Federal Reserve“ (Fed) und relativ hohen Aktienbewertungen, die nur in einem sehr niedrigen Zinsumfeld vertretbar schienen. Nach mehr als einem Jahrzehnt durchschnittlicher Inflation von ca. 2% vervierfachte sich diese Rate auf den höchsten Stand seit über 40 Jahren. Die Botschaft der Fed an die Kapitalmärkte ist eindeutig: Schnelle und starke Zinserhöhungen, bis “überzeugende” Beweise für eine niedrigere Inflation gesehen werden. Im Ergebnis findet eine Neukalibrierung der Volkswirtschaften statt: Oberste Priorität hat die Inflationsbekämpfung, auch unter Inkaufnahme von niedrigeren Asset-Preisen (Aktien, Immobilien) und sogar einer (leichten) Rezession. In Kombination mit den globalen Angebotsproblemen, die die Inflation hochhalten, hat dies die Wahrscheinlichkeit eines Stagflationsszenarios weiter erhöht.

Anleger finden sich somit in einer herausfordernden Phase des Börsenzyklus wider, in der die Inflation noch nicht überzeugend gesunken ist und sich parallel Rezessionsrisiken abzeichnen, wie z.B. sich abkühlende Immobilienmärkte, eine sinkende Arbeitsmarktdynamik und ein Einbruch bei Verbraucher- und Geschäftsvertrauen. Auch haben vergangene Zinserhöhungszyklen der Fed in ca. 70% der Fälle zu wirtschaftlichen Abschwüngen geführt. Der anfängliche „Zinsschock“ könnte also einem „Wachstumsschock“ weichen, wenn sich die Wirtschaftsdaten weiter abschwächen.

Mit den stark gesunkenen Aktienbewertungen dürfte allerdings ein großer Teil der Anpassungen in den Kursen enthalten sein, auch wenn man noch nicht von einer Trendwende sprechen kann. Weitere Korrekturen im Hinblick auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen sind nicht auszuschließen, da die entsprechenden Gewinnschätzungen der Analysten teilweise noch sehr positive Wachstumsraten vorsehen. Die Fed ist wahrscheinlich noch näher am Anfang als am Ende ihrer geldpolitischen Straffung, und es sind mehrere Quartale mit schwächerer Wirtschaftsaktivität denkbar.