Noch 3 Wochen bis zu den US-Wahlen. Trotz verheerender Umfragewerte für den einstigen „Börsenliebling“ Donald Trump konnten die US-Märkte weiter zulegen. Insgesamt scheint sich im Markt die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Wahl von Joe Biden zwar in einigen Bereichen die Rücknahme von Deregulierungen und Steuersenkungen bedeuten würde, aber die Aussicht auf eine stabilere Weltwirtschaft durch eine „Twitter-freie“ Politik und die Fokussierung auf Investitionsprogramme z.B. in den Bereichen Infrastruktur und erneuerbarer Energien attraktive Wachstumschancen bietet.
Aber auch wenn diese Themen aktuell die Schlagzeilen dominieren, langfristig sind sie für einen erfolgreichen Investor nicht entscheidend. Relevant sind die Umsatz- und Gewinndynamik der Unternehmen und die Kreditbedingungen (die letztlich von den Notenbanken garantiert werden), bei einer gleichzeitig richtigen Beurteilung der bestehenden und zukünftigen Risiken.
Letztere könnten insbesondere aus der Geopolitik kommen. Werden die Chinesen beispielsweise das Vakuum in der aktuellen USA-Politik und den überraschen Rücktritt des japanischen Premiers nutzen, um die aus ihrer Sicht bestehenden Ansprüche auf Taiwan durchzusetzen? Und wie würde der Westen auf eine wie auch immer geartete Intervention reagieren? Aber selbst im Falle einer Auseinandersetzung sind die Auswirkungen auf die Märkte insgesamt nicht eindeutig. Kurzfristigen Markteinbrüchen im „Risk-off“-Modus bei gleichzeitig steigenden Erdöl- und Edelmetallpreisen bedeuten auch stabilere Haushaltssituationen bei den Erdölexportierenden Staaten, während die Chinesen versuchen würden, die politischen Konfrontation mit wirtschaftlicher Entspannung und weiterer Marktöffnung zu kombinieren. Ein Cocktail, den der exportorientierte Westen noch nie ausschlagen konnte.
Jedoch ist die Erwartungshaltung der Anleger auf langfristig erzielbare Aktienrenditen mindestens auf die historischen Durchschnitte von ca. 6% p.a. anzupassen. Eine Phase wie die letzten 10 Jahre, bei denen insbesondere US-Anleger teilweise mit dem Doppeltem der langjährigen Durchschnitte verwöhnt wurden, dürfte der Vergangenheit angehören. Dies umso mehr, da US-Anleger als größte Anlegergemeinschaft bereits recht hoch investiert sind und weitere Neukäufe entsprechend ausbleiben könnten.
Weiterer Rückenwind für die Märkte könnte andererseits durch die Demographie kommen, wenn die stark wachsende Gruppe der 35-49-jährigen ihre Altersvorsorge anlegen müssen. Auch haben zahlreiche Unternehmen in der Krise massive Liquiditätsüberschüsse durch Ausgabenkürzungen und Anleiheemissionen aufgebaut, allein die Unternehmen im S&P verzeichnen Barreserven von ca. 1,8 Billionen US$. Diese Summen dürften zunächst in eine Wiederaufnahme von Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe fließen, bevor bei Erreichen der Kapazitätsauslastungen wieder größere Investitionen folgen. In Summe also weiterhin gute Aussichten für die Aktienmärkte auch für 2021.