Eines der turbulentesten Jahre der jüngeren Geschichte neigt sich dem Ende zu. Die Pandemie hat tiefe Wunden und Narben bei vielen Menschen hinterlassen, die ihre Liebsten verloren haben oder um ihre persönlichen oder beruflichen Existenzen kämpfen mussten oder müssen. Auch politisch wie wirtschaftlich gab es Erschütterungen. Die Intensität des Börseneinbruchs und der abrupte Rezessionsbeginn waren beispiellos und haben die Fähigkeit von Unternehmen und Investoren, durch diese schwierigen Zeiten zu navigieren, massiv auf die Probe gestellt.
Und heute: Nur 10 Monate nach Beginn der Krise erleben wir eine der bemerkenswerten Aufholjagden an den Aktienmärkten und erkennen ein wirtschaftliches Erholungspotenzial, das Aktien und andere risikoreiche Anlagen in den nächsten 12 Monaten weiter nach oben treiben könnte. Möglich gemacht haben dies nicht nur die gewaltigen, weltweit koordinierten Maßnahmen der Regierungen und Zentralbanken und die weitere Konservierung des Niedrigzinsniveaus. Auch die Erwartung auf eine kooperative Handelspolitik der neuen US-Regierung sowie zunehmend positive Nachrichten von der Impfstofffront dürften den Aktienmärkten weiter Auftrieb geben. Anleger werden auch wieder mehr Auswahlmöglichkeiten bei Aktien haben als in diesem Jahr, wo nur eine Handvoll Einzeltitel die Marktgewinne antrieben.
Viele von der Pandemie in Mitleidenschaft gezogene Branchen wie Reisen, Freizeit und Energie könnten davon profitieren, während Geschäftsmodelle, die während der Pandemie starke Umsatzsteigerungen verzeichneten, von den Anlegern auf Herz und Nieren geprüft werden, ob deren ambitiöse Wachstums- und Ertragssteigerungen auch fortsetzbar sind. Fundamentaldaten der Unternehmen werden eine viel größere Rolle spielen als Maßnahmen der Zentralbanken.
Eine mit einer starken wirtschaftlichen Erholung einhergehende tendenziell steilere Zinskurve mit höheren langfristigen Zinsen könnte zudem Finanzwerte begünstigen, aber gleichzeitig noch größeren Druck auf Anleiheinvestoren ausüben, versteckte Anlageperlen zu finden. Floating Rate Notes oder Schwellenländeranleihen mit angemessenen Kreditrisiko könnten interessant werden, um in einem zunehmend inflationären Umfeld Ertrag zu generieren.
Was haben uns die letzten Monate noch gelehrt? Mit der neuen und weithin von der Gesellschaft offenbar akzeptierten neuen Rolle von Regierungen und Zentralbanken als Koordinatoren und Refinanzierungsparteien ist die Ära der freien Märkte, die vor ca. 40 Jahren unter Thatcher & Reagan begann, endgültig vorbei. Beispielhaft dafür steht der in aller Stille fortschreitende Prozess, dass Europa aus Sicht der Kapitalmärkte zu einem Staat wird. Zukünftig wird nämlich Brüssel als größter Emittent von Währungs- und Eurobonds auftreten, um wichtige Projekte im Bereich Klimaschutz, Soziales oder Infrastruktur zu finanzieren und weniger die einzelnen Staaten mit ihren Beitragszahlungen. Aber: Wer zahlt, schafft an und bestimmt damit auch, was mit welcher Priorität und wann umgesetzt werden soll.
Ökonomische Marktsignale, die früher die Kurse mitbestimmten, werden zunehmend durch politische Signale und Entscheidungen ersetzt, bei gleichzeitig steigenden Schwankungen. Frühere Erfolgsfaktoren wie Market Timing oder gegen die Trends zu investieren sind Vergangenheit, während politische Risiken ständig analysiert und überwacht werden müssen. Diese Entwicklungen, gepaart mit einem noch viel stärkeren Einfluss des Computerhandels wird anspruchsvolle Investoren dazu zwingen, sich noch intensiver als früher mit ihrer langfristigen strategischen Asset Allokation zu beschäftigen, diese geduldig durchzuhalten und vor allem über alle Anlageklassen hinweg so weit wie möglich zu streuen.
Wir wünschen unseren Kunden und ihren Familien frohe Weihnachten und alles Gute für ein erfolgreiches und gesundes 2021!