Nach den enormen Kurssteigerungen stehen die Börsenampeln auf gelb-rot. Und das nicht, weil statistisch gesehen nun die tendenziell eher schwachen Börsenmonate vor uns liegen. Die Gewinndynamik der Unternehmen flacht ab, die Corona-Rally ist vorbei. Die überzogenen, teilweise hektischen Maßnahmen zur Wirtschaftsbeschleunigung zeigen ihre Schattenseiten. Einige Lieferketten sind nachhaltig unterbrochen, viele Arbeitsstellen unbesetzt geblieben und zahlreiche Rohstoffe aufgrund ausgebliebener Erweiterungsinvestitionen der Rohstoffunternehmen knapp geworden. Der daraus resultierende Preis- bzw. Inflationseffekt liegt auf der Hand.
Während institutionelle Anleger ihre Bargeldquoten erhöht haben, treiben junge und unerfahrene Anleger die Kurse von Pleitekandidaten auf z.T. absurde Bewertungen und private Anleger befeuern mit Zuflüssen von ca. 800 Mrd. US$ die Börsen mittels Indexfonds (ETFs), ohne zu differenzieren, ob die in den Indices enthaltenen Unternehmen gut oder schlecht sind. Naives passives Kapital finanziert somit den Ausstieg des aktiven Geldes.
Hinzu kommt: Die Zinswende in den USA ist de facto eingeleitet. Die amerikanische Notenbank FED hat vor dem Hintergrund der aktuellen Inflationsdaten unmissverständlich die geldpolitische Wende angedeutet. Steigende Anleiherenditen und eine steilere Zinskurve sind nur eine Frage der Zeit. Dazu- nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit – die fiskalpolitische Wende. Wo Inflation auf gigantische Schuldenberge mit dem Risiko erheblich höherer Zinskosten trifft, müssen entweder Ausgaben gesenkt oder Einnahmen erhöht werden, da sonst die Zinskosten nicht mehr getragen werden können. Investitionen in Digitalisierung, stärkeren Klimaschutz und Verbesserung der Infrastruktur gibt es aber nicht umsonst. Daher werden in erster Linie Steuererhöhungen bei Einkommen und Unternehmen angegangen, wie kürzlich in England und den USA, also in Ländern, die traditionell Befürworter von Steuersenkungen waren.
So gut dies volkswirtschaftlich und finanzpolitisch auch sein mag, der Bremseffekt für die Anleihe- und Aktienmärkte ist nicht zu übersehen. Steuererhöhungen schlagen unmittelbar auf die Unternehmensgewinne durch und bremsen die Gewinndynamik. Die parallel dazu gestiegenen Energiekosten senken sofort die verfügbaren Einkommen und Gewinne jener Unternehmen, die diese Kosten an die Konsumenten nicht weiterreichen können. Nach den steigenden Energiepreisen könnten steigende Löhne und damit Lohn-Preisspiralen folgen. Ein dramatischer Effekt, der per heute aber noch schwierig abzuschätzen ist.
Im Ergebnis richten sich die Kapitalmärkte neu aus, preisen Inflationsraten von bis zu 5% am langen Zinsende ein und nehmen eine Neubewertung der Aktienmärkte vor, in denen nur bestimmte Segmente Gewinne versprechen, die von den beschriebenen Verwerfungen profitieren und mit ihren Zahlen die Wachstumsprognosen der Anleger positiv überraschen können.