Nach vier Jahren Mehrheitsregierung haben die Liberalen unter Premierminister Justin Trudeau die absolute Mehrheit verloren und sind zur Durchsetzung ihrer Ziele auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen. Obwohl keine Idealsituation, ist es für Kanada nicht ungewöhnlich: Knapp die Hälfte der letzten 20 Regierungen waren Minderheitsregierungen.
So haben auch die Märkte, die diese Ergebnisse bereits im Vorfeld erwartet hatten, auf die Resultate kaum reagiert.
Was aber bedeuten die Ergebnisse für die kanadische Wirtschaft? Zunächst könnte an die Stelle einer eher konsistenten Politik ein opportunistisches „Deal-Making“ mit wechselnden Mehrheiten treten. Mit der NDP (New Democratic Party) steht allerdings ein Verbündeter bereit, der viele Ansichten der Liberalen teilt und unterstützen könnte, sei es bei CO2-Steuern oder der Ausweitung von staatlichen Ausgabenprogrammen. Radikalere Zielvorstellungen der NPD, vermögende Privatpersonen und Firmen steuerlich noch stärker zur Kasse zu bitten und die Ablehnung von nationalen Energieprojekten dürften hingegen zu intensiveren Diskussionen und mühsameren Entscheidungsprozessen führen.
Erwartet wird ein noch stärkerer Fokus auf fiskalpolitische Maßnahmen bei gleichzeitig wachsender Verschuldung. Der daraus resultierende leicht positive Effekt auf die Wirtschaftsleistung könnte aufgrund negativer Entwicklungen im Energiesektor und einer insgesamten Zurückhaltung von privaten Investoren und Konsumenten tendenziell abgeschwächt werden. Die Bank of Canada (BoC) dürfte angesichts dieses Szenarios und der Notwendigkeit eines Gleichklangs mit anderen Zentralbanken zunächst keine Zinserhöhungen ins Auge fassen und erst einmal die Auswirkungen der Fiskalpolitik abwarten. Der kanadische Dollar sollte, sofern die Ölpreise stabil bleiben und sich die Tonalität im US-chinesischen Handelskrieg nicht wesentlich verschlechtert, seine relative Stabilität beibehalten können. Bei Aktien ist angesichts der weltweiten Risiken eine vorsichtige Herangehensweise empfohlen, die Wahlergebnisse haben diesmal – ungleich den Cannabis-Aktien 2015 – keine klaren Favoriten hervorgebracht.